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XtraBlatt Ausgabe 02-2022

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INTERVIEW Produktivität

INTERVIEW Produktivität hoch, nehmen die Emissionen relativ ab. Das verstehen viele leider nicht. Die Kritiker meinen, produktive Tiere emittieren auch mehr. Es stimmt zwar, dass eine Hochleistungskuh mehr emittiert als eine Niedrigleistende. Aber wir haben dank der Hochleistungskühe heutzutage auch viel kleinere Herden. XtraBlatt: Bitte veranschaulichen Sie den Einfluss der Produktionsintensität auf den Klimaschutz anhand eines Beispiels. Prof. Mitlöhner: Wenn die Kühe einer 200 Tiere umfassenden Herde statt 4.000 kg Milch im Jahr 10.000 kg produzieren, braucht man nur 80 Kühe, um die gleiche Menge Milch im Jahr zu erhalten. Der Methan-Fußabdruck je kg Milch sinkt dann um 47 %! In den entwickelten Ländern sind wir, wie gesagt, bei diesem Thema auf einem guten Weg. In den meisten Entwicklungsländern ist das nicht der Fall. Dort kaufen die Menschen bei einem Anstieg des verfügbaren Einkommens mehr Eier, Fleisch und Milch. Aber die dafür notwendige bessere Verfügbarkeit solcher Lebensmittel wird leider durch eine Vergrößerung der Herden bewirkt und nicht über eine Verbesserung der Ohne Wiederkäuer wären 70 % der weltweiten Agrarfläche nicht nutzbar. Das gilt nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch für das absolute Dauergrünland in Europa, etwa in Bergregionen. Durch veränderte Rationsgestaltung und Einsatz spezieller Zusatzstoffe ließe sich der Methan-Ausstoß bei Kühen nach Expertenmeinung um fast ein Drittel senken. Effizienz. Das ist das Problem. Farmer in Indien und Brasilien halten heutzutage mehr Rinder als der gesamte Rest der Welt zusammen. 70 bis 80 % der weltweiten Emissionen aus der Tierproduktion stammen aus den Entwicklungs- und Schwellenländern. Es geht mir aber nicht darum, mit dem Finger auf irgendwen zu zeigen. Es geht mir darum, auf den erheblichen Bedarf hinzuweisen, in diesen Ländern die Produktivität deutlich zu erhöhen. In den USA haben wir 9 Mio. Milchkühe, in Indien 300 Mio. Milchkühe und Büffel. Dort könnte die gleiche Menge Milch wie heute mit 10 % der Herden produziert werden. XtraBlatt: Der Meinung aller Kritiker zum Trotz: Warum ist die Haltung von Wiederkäuern Ihrer Meinung nach auch zukünftig unverzichtbar? Prof. Mitlöhner: Auf der einen Seiten haben wir die Herausforderung einer stetig wachsenden Weltbevölkerung. Dadurch ergeben sich erhebliche Probleme mit der Lebensmittelversorgung und ein voraussichtlich wachsender Migrationsdruck in Richtung der Industrienationen. Auf der anderen Seite steht die begrenzte Größe der landwirtschaftlichen Nutzfläche, die nicht beliebig vermehrbar ist. So bleibt uns nur eine möglichst effiziente Nutzung der zur Verfügung stehenden Flächen. Oft unbeachtet bleibt: Ohne Wiederkäuer wären 70 % der weltweiten Agrarfläche nicht nutzbar, um die menschliche Lebensmittelversorgung zu bewerkstelligen. Die ackerbauliche Nutzung ist in vielen Fällen aufgrund der Bedingungen vor Ort nicht möglich. Das Land ist z. B. nicht fruchtbar genug, zu steil, zu trocken. Das Einzige, was dort wächst, sind Cellulose-haltige Gräser, die ausschließlich von Wiederkäuern verdaut werden können. XtraBlatt: Ohne Wiederkäuer geht es also nicht. Aber wie können wir das Herdenmanagement in Richtung Klimaschutz optimieren? Prof. Mitlöhner: Es gibt vier Wege zu einer effektiveren Milchproduktion, die auch eine verringerte Emission von Treibhausgasen bewirken. Diese sind in den vergangenen Jahrzehnten in den entwickelten Ländern konsequent verfolgt worden. Zum einen hat man die Fruchtbarkeit und die Reproduzierbarkeit erheblich erhöht. Installiert wurden Veterinärsysteme, um Krankheiten vorzubeugen und zu behandeln. Optimiert wurden auch die Futterversorgung und die Tierernährung. Den wichtigsten Beitrag zur Verringerung des Umwelteinflusses der Landwirtschaft hat die Optimierung der Genetik in den vergangenen 40 oder 50 Jahren geleistet – das gilt sowohl für Futterpflanzen als auch für die Tiere. Es wurden beispielsweise Versuche durchgeführt, Tiere mit relativ geringerer Methanproduktion zu züchten. Es gibt ZUR PERSON: PROF. FRANK MITLÖHNER Von Haus aus Agrarwissenschaftler, ist der Professor u.a. als Luftqualitätsspezialist im Department of Animal Science an der UC Davis tätig. Als solcher teilt er sein Wissen und seine Forschung, sowohl im In- als auch im Ausland – mit Studenten, Wissenschaftlern, Landwirten und Viehzüchtern, politischen Entscheidungsträgern und der breiten Öffentlichkeit. Prof. Mitlöhner ist außerdem Direktor des „CLEAR Centers“, das zwei Schwerpunkte hat – Forschung und Kommunikation. Das Center bringt Klarheit in die Schnittstelle von Tierhaltung und Umwelt. „Es hilft unserer globalen Gemeinschaft, die Auswirkungen von Nutztieren auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit zu verstehen, damit wir fundierte Entscheidungen über die Lebensmittel, die wir konsumieren, treffen und gleichzeitig die Umweltauswirkungen reduzieren können“, so die eigene Darstellung. GLEICHBLEIBENDE HERDEN TRAGEN NICHT ZU EINER ZU- NAHME DER METHAN- MENGE IN DER ATMO- SPHÄRE UND SOMIT ZUR ERWÄRMUNG BEI. PROF. FRANK MITLÖHNER, UC DAVIS/USA bereits Versuche, gegen die Methanproduktion zu impfen. Da wird sich in den nächsten Jahren sicherlich noch viel tun. XtraBlatt: Was empfehlen Sie den Landwirten, abgesehen von der Intensität und der Herdengröße, um die Methanreduktion voranzutreiben? Prof. Mitlöhner: Möglich ist es beispielsweise, die Rationsgestaltung zu optimieren. Auch ohne Einsatz von Zusatzstoffen gibt es ein Reduktionspotenzial von 5 bis 10 %. Werden Zusatzstoffe verwendet, ist sogar eine Reduktion von bis zu 30 % denkbar. Dazu haben wir schon vielversprechende Versuche durchgeführt. XtraBlatt: Wie lautet somit Ihr Fazit? Prof. Mitlöhner: Kühe können Teil der Lösung sein, die Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft und somit die Erderwärmung zu reduzieren. Landwirte sollten vor der Diskussion um die Methanemissionen keine Angst haben, sondern sie sollten das Methan als Chance ansehen. Wir produzieren in der Landwirtschaft Methan, ja! Aber wir haben auch eine enorme Hebelwirkung, die Emissionen zu verringern, und zwar mit unmittelbarem Einfluss auf das Klima. Und deshalb noch mal: Wir können als Lösung fungieren. Und ein Modell der Zukunft wird es sein: Wenn ein Landwirt mit seinem Betrieb bei der Klimaneutralität angekommen ist, kann er seine Beiträge zur Einsparung der THG-Produktion in anderen Bereichen verkaufen, sozusagen eine besondere Art des Emissionshandels, und dadurch Gewinne erzeugen. « 34 35