Aufrufe
vor 1 Jahr

XtraBlatt Ausgabe 02-2022

  • Text
  • Krone
  • Bernard
  • Heilos
  • Xtrablatt
  • Knapen
  • Landwirt
  • Landwirtschaft
  • Familie
  • Prof
  • Betrieb

WISSEN Die

WISSEN Die Kapazitätslimits auf Zuliefererseite haben in allen Bereichen zu kleineren Losgrößen und längeren Lieferfristen geführt, was logistisch in der Endmontage zu besonderen Herausforderungen führte. Von der kleinsten Schraube bis zu Motoren für den BiG X: Insgesamt muss der Einkauf für die Maschinenfabrik über 40.000 Materialien und Produkte im Blick behalten. Dennis Reker leitet in der Maschinenfabrik Bernard Krone den Einkauf. Der strategische Einkauf ist dem operativen Einkauf quasi vorgeschaltet und hat mit dem Tagesgeschäft der Materialflüsse eher wenig zu tun. Vielmehr ist hier die Aufgabe, in den einzelnen Produktbereichen die Marktsituation zu analysieren, die Anbietersituation im Auge zu behalten und eventuell neue Partner zu finden. Ebenso gilt es, Rahmenverträge und natürlich Preise auszuhandeln, nach neuen Fertigungstechnologien Ausschau zu halten, aber auch, Beschaffungsrisiken zu erkennen. Letzteres erhielt seit Beginn der Corona-Pandemie massiv an Gewicht. „Allerdings geht es nicht nur um kurzfristige Perspektiven, auch längerfristige Trends gilt es zu identifizieren, dafür passende Strategien zu entwickeln und die aus Krone-Sicht richtigen Partner zu finden“, meint Dennis Reker und nennt als Beispiel das stark wachsende Feld der Elektronik und Digitalisierung. Um insgesamt in diesem weiten Aufgabenfeld den Überblick zu behalten und das nötige Know-how zu haben, besteht im Team eine klare Aufgabenteilung. So gibt es im strategischen Einkauf zwei Arbeitsbereiche. Der größere der beiden ist der direkte Einkauf des sogenannten Produktionsmaterials, also aller Materialien, die in der Maschinenmontage benötigt werden. Das zweite Segment besteht aus dem sogenannten indirekten Einkauf, der sich um alle Themen kümmert, die keine Warennummer für die Fertigung tragen. Dazu gehören z.B. der Einkauf von Staplern, Produktionsmaschinen, Werkzeuge, aber auch Dienstleistungen wie Reinigung und Wach- und Werksschutz. „Insgesamt haben wir über 40.000 Materialien und Produkte im Blick, allein für die Maschinenfabrik. EINE FRAGE DER VERFÜGBARKEIT Die geschilderte Aufgabenteilung zwischen Disposition und strategischem Einkauf ließ und lässt sich übrigens seit Beginn der Corona-Pandemie ebenfalls nicht mehr zu 100 % aufrechterhalten, so Dennis Reker weiter. Hauptproblem ist die generelle Verfügbarkeit von Materialien – teils ein noch drängenderes Problem als die reine Preisfrage. „Während vor 2020 die Kolleginnen und Kollegen der Disposition bei eventuellen Lieferengpässen direkt mit ihren gewohnten Ansprechpartnern auf der Lieferantenseiten diskutierten, münden derartige Probleme heute häufig in Krisengespräche auf höherer Ebene. Dies ausdrücklich nicht, weil es unterschiedliche Standpunkte gäbe, sondern weil auf der Lieferantenseite teils dramatische Kapazitätslimits entstanden sind, die gewohnte Losgrößen und Lieferfristen unmöglich machen. In den vergangenen 24 Monaten haben sehr viele Firmen über alle Wertschöpfungsebenen hinweg immense Rückstände aufgebaut. Um keinen Kunden endgültig im Regen stehen zu lassen, werden kleinere Losgrößen geliefert, was wiederum auf beiden Seiten zu erheblichem organisatorischem Mehraufwand führt. So hat sich in Summe auch bei uns eine sehr spürbare Welle aufgebaut. In der Zeit vor Corona wäre das mit drei Extraschichten samstags aufzuholen gewesen. Aber die ist jetzt auf Seite der Zulieferer ohnehin oft schon als fester Bestandteil eingeplant, das reicht nicht mehr.“ Ein fast schon dramatisches und sicher das anschaulichste Beispiel für die Verfügbarkeitsproblematik sind laut Dennis Reker die Halbleiter. Hier habe es mit Beginn der Coronapandemie mehrere sich verstärkende Effekte gegeben. Durch die Lockdowns habe es einen riesigen Nachfrageschub in der Unterhaltungselektronik gegeben. Zeitgleich beschloss die Industrie in vielen Branchen – allen voran Automotive – offensichtlich, in Erwartung wirtschaftlicher Rezession ihre Fertigungsplanung zu reduzieren. Diese Konjunkturdelle kam zwar nicht, doch der Prozess war nicht ad hoc umkehrbar, wie Dennis Reker erklärt. „Der im Suezkanal feststeckende Frachter und die restriktive Null-Covid-Strategie in weiten Teilen Asiens taten ihr übriges“, fügt er hinzu. Die Auflösung des Halbleiterstaus dürfte sich nach seiner Einschätzung bis Ende 2023 hinziehen – wenn nicht erneute „Bückware“ Elektronik: Besonders bei Halbleitern war und ist die Marktsituation sehr angespannt. Verwerfungen zu neuen Turbulenzen führen. „Trotz aller Engpässe haben wir eines jedoch nicht getan, obwohl dies, wie bei manch anderem Landmaschinenhersteller auch, von der Gerüchteküche so kolportiert wurde: Wir haben keine Waschmaschinen gekauft, um irgendwie an Halbleiter zu kommen. Das wäre rein technisch völliger Quatsch“, ergänzt er schmunzelnd. Wobei sich angesichts der Engpässe die Frage aufdrängt, ob es im Maschinenbau einen „Klopapiereffekt“ gibt, also das Phänomen, bei dem Kunden aus Sorge vor Engpässen Material horten. Ganz von der Hand zu weisen sei dies nicht, ganz nach dem Motto „besser haben als brauchen“. Gerade bei besagten Halbleiter sei dies durchaus zu beobachten. Doch trotz einiger Engpässe sei es grundsätzlich kaufmännisch nicht sinnvoll, die Lager deutlich über Bedarf mit Komponenten zu füllen. „Natürlich ist man geneigt, in Zeiten steigender Preise eher heute als morgen zu kaufen. Doch wir gehen davon aus, dass es genauso wieder eine Abwärtsbewegung der Komponenten geben wird, und dann säße man auf vielen überteuerten Vorräten. Wie so häufig ist der Mittelweg der sinnvollste“, so Dennis Reker – um abschließend wieder die sprichwörtliche strategische Brille aufzusetzen: „Angesichts der tiefgreifenden Veränderungen im Bereich Automotive, vor allem durch die Elektrifizierungswelle bei Pkw, sehe ich längerfristig gute Chancen für vergleichsweise kleine Branchen wie die Landtechnik, gerade im Bereich der Antriebstechnik. Schon jetzt ist erkennbar, dass die Zulieferindustrie sich umstellt. Das eröffnet Abnehmern wie uns neue Optionen und ein größeres Gewicht im Markt.“ « 26 27