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XtraBlatt Ausgabe 02-2019

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INTERVIEW 1 2

INTERVIEW 1 2 XtraBlatt: Was konkret muss man sich unter dem Rytle-System vorstellen? Lübs: Dabei handelt es sich um ein Box-in-Box-inBox-Logistiksystem mit cleveren Komponenten. Herzstück ist eine fahrbare Transportbox. Dank ihrer Abmessungen ist sie mit einer Europalette und damit mit einem der weltweit wichtigsten Ladungsträger kompatibel, kann also auch mit den bei den Paketdienstleistern so beliebten Wechselbrücken kombiniert werden. Hinzu kommt eine mobile Hauptumschlagbasis, im Fachjargon HUB abgekürzt, auf Basis des Krone-Baukastens der Wechselbrücke. Sie kann nach dem Abstellen hydraulisch auf Bodenniveau abgelassen und entladen werden. Dieses Feature macht die Wechselbrücke zu einem autarken Mini-HUB für die City. Die Transportboxen können problemlos und sehr schnell auf das neu konzipierte Lastenrad, den „MOVR“ umgeladen werden, mit dessen Hilfe die letzten Meter zu den Paketempfängern zurückgelegt werden. So sind Ladungsträger und Fahrzeug voneinander getrennt nutzbar. XtraBlatt: Klingt eigentlich simpel. Warum gibt es ein solches System nicht schon längst? Lübs: Simple Lösungen liegen nicht immer auf der Hand. Das Visionäre daran ist, auch im Einsatz des Lastenrades die Ladungsträger vom Trägerfahrzeug zu trennen – Logistiksysteme zu kombinieren, die es schon sehr lange gibt und die auf den ersten Blick nicht unbedingt zusammenpassen. Bei näherer Betrachtung finden sich dann allerdings doch einige Innovationen, die den Rytle „MOVR“ zum perfekten Transportmittel für die letzten Meter in der City-Logistik macht: Es verfügt über einen effizienten Elektroantrieb, um dem Fahrer die Arbeit zu erleichtern. Ein Wetterschutz sorgt dafür, dass der Fahrer vor Regen geschützt ist, und es besitzt mit seiner Ladevorrichtung die Möglichkeit, unsere Transportboxen schnellstens zu wechseln. Um dieses System noch effizienter zu machen, hat der Kunde die Möglichkeit, seine Logistikprozesse mit einer genau auf dieses System ausgerichteten Software zu steuern. Sie hat zum Beispiel offene Schnittstellen zur Krone-Telematik, die bei unseren Nutzfahrzeug- sowie Landtechnikkunden weltweit ein sehr hohes Renommee genießt. XtraBlatt: Lastenfahrräder stehen auch für Umweltfreundlichkeit. Welche Rolle spielt dieser Aspekt? Lübs: Unser System stellt die traditionelle Paketzustellung etwas auf den Kopf. Die Paketdienstleister betreiben durchweg sehr große professionelle Verteilzentren vor den Städten. Dort kommen die Pakete per Lkw an, werden auf die einzelnen Zustellbezirke verteilt und mit den bekannten Lieferwagen ausgefahren. Anschließend kommen die Lieferfahrzeuge leer in den HUB zurück. Bei unserem System führen wir mobile Mini-Hubs in den Innenstädten ein. Statt vieler kleiner Lieferfahrzeuge, die den ganzen Tag in die Citys fahren, werden morgens die Mini-Hubs in die Stadtzentren transportiert und abends wieder abgeholt. Die Auslieferung selbst erfolgt von hier aus mit Hilfe der Lastenräder, die kaum Verkehrsraum benötigen, oder auch zu Fuß. XtraBlatt: Welche Auswirkungen hat das auf die Kosten der Zustellung? Lübs: Erhebliche! Betrachtet man die Kostensituation in der Paketlogistik, fällt auf, dass ein Großteil der Kosten auf den bereits mehrfach angesprochenen letzten Metern anfallen. Für die langen Distanzen zwischen den Verteilzentren wurden effiziente Konzepte entwickelt. Das Handling der Pakete in 50

3 1 Vermarkten das Rytle-Konzept in der ganzen Welt: Geschäftsführer Ingo Lübs und Arne Kruse. 2 Hydraulisch absenkbare Wechselbrücken bilden in Innenstädten einen mobilen, temporären Umschlagpunkt (HUB), von dem aus die Sendungen verteilt werden. 3 Aus dem Wechselbrücken-Container heraus werden genormte Behälter in das Lastenrad umgeladen und dann weitertransportiert. den Sortierzentren erfolgt vollautomatisch. Das Verladen der Paketflut in die Zustellfahrzeuge und das Ausliefern beim Kunden ist dagegen kostenintensive Handarbeit. Verschärfend hinzu kommt die sehr angespannte Verkehrssituation in den Ballungsräumen. Zustellfahrzeuge stehen im Stau, sie stehen vor Ampeln, sie suchen nach Haltemöglichkeiten. Mitunter muss der gesamte Aufwand sogar wiederholt werden, weil der Empfänger nicht anzutreffen war. All das führt dazu, dass die Kosten auf den letzten Metern überproportional hoch sind. Dies können wir mit unserem preisgekrönten Logistik-Konzept nachhaltig entschärfen, da wir näher und schneller an den Zustellpunkt kommen. XtraBlatt: Wer stellt die Flächen für die Mini-HUB zur Verfügung? „UNSER SYSTEM STELLT DIE TRADITIONELLE PAKET- ZUSTELLUNG AUF DEN KOPF.“ INGO LÜBS Lübs: Ja und nein… Jeder internationale Paketdienst hat über Jahrzehnte gewachsene Prozesse, in die sich neue, disruptive Konzepte manchmal schwer integrieren lassen. Aber der eben beschriebene Kostendruck hat uns bereits viele Türen geöffnet. Das Rytle-System wird gegenwärtig von vielen global tätigen Paketdienstleistern getestet. Vorreiter war hier maßgeblich die Firma UPS, die das System in vielen europäischen Städten bereits einführt. Wir sind aber nicht nur in Europa am Start, sondern weltweit aktiv. Rytle ist unter anderem in mehreren asiatischen Mega-Citys wie Singapur im Einsatz, wir sind in den USA damit aktiv, und auch Kanada steht auf der Einsatzliste. Last but not least wurden erste MOVR nach Japan exportiert. Und wir sind mit unseren Vertriebsaktivitäten mittlerweile auch in Australien angekommen. Lübs: Wie in der Landwirtschaft sind auch für unser Rytle- Konzept Flächen der Schlüssel zum Erfolg. Um effektiv arbeiten zu können, benötigen unsere Kunden einen gewissen Abstellplatz in den Innenstädten, die sie für die besagten Mini-HUB nutzen können. Diese Orte sind natürlich absolute Mangelware. Da wir es mit unterschiedlichen Interessensgruppen vom Bürgermeister bis zum Parkhausbetreiber zu tun haben, ist es herausfordernd, diese Flächen zu finden, vor allem, wenn es um öffentliche Flächen geht. Hier gibt es beim Gesetzgeber noch einiges zu tun. Erste Kooperationen mit privaten Flächeninhabern, wie etwa Lebensmittelketten, werden helfen, die Situation zu entschärfen. XtraBlatt: Die Paketdienstleister müssten Ihnen eigentlich die Türen einrennen. Ist das so? XtraBlatt: Wie sind die bisherigen Praxiserfahrungen? Lübs: Die Rückmeldungen sind mehr als sehr positiv. Das bisherige Feedback unserer Kunden hat zudem dazu beigetragen, das Rytle kontinuierlich an allen Stellschrauben optimiert wird. Neue Hardware ist bereits in der Revision, um Kunden schnell eine verbesserte Generation unseres Lastenrades zu bieten. Außerdem arbeiten wir sehr intensiv an weiteren Möglichkeiten zur Verknüpfung unserer Software mit den IT-Systemen unserer Kunden. Wir wollen ihnen ein maximal effizientes System für die letzte Meile bzw. die letzten Meter zu ihren Kunden zur Verfügung stellen. Hier sind wir auf einem sehr guten Weg – und suchen weiterhin kluge Köpfe für diese Mission. « 51