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XtraBlatt Ausgabe 02-2017

MENSCHEN INTERNATIONAL

MENSCHEN INTERNATIONAL Schweiz ALLES (ZU) KÄSE Aus dem Kuhstall der Familie Bigler heraus blickt man über den Ort Moosseedorf bei Bern. In den Stall hinein blickt man auf 120 Kühe – beste Aussicht auf eine gute Zukunft mit der Milch. „Wenn da nicht der Milchpreis wäre…“, relativiert Rudolf Bigler die Idylle. ls wir vor einigen Monaten den ABigler-Hof besuchen, steck t Deutschland das schlechte Milchpreisjahr noch in den Knochen. Deshalb sind wir neugierig, wie sich das Geschäft mit der Milch im „Käseland“ Schweiz für die Bauern darstellt? „Auch schlecht“, antwortet Rudolf Bigler. „Die Bauern bei uns hoffen auf einen steigenden Milchpreis, aber ich rechne – ehrlich gesagt – nicht so bald damit.“ DER KÄSE BRINGT‘S Milchpreis in der Schweiz sei nicht gleich Milchpreis, beschreibt Rudolf Bigler das eidgenössische System. Ein Drittel der Bauern, vorwiegend in der Westschweiz, bekomme als Heumilch-Lieferanten für gut zu vermarktende Käsesorten (z.B. Greyerzer) auch gute Milchpreise. Im Frühjahr 2017 waren das 85 Rappen pro Liter, was 74 ct entsprach. (Anmerkung: 100 Rappen sind ein Schweizer Franken). Ein Drittel der Landwirte bekomme akzeptable Preise (65 Rappen bzw. 57 ct), z.B. für Emmentaler Käse, und ein Drittel müsse sich mit niedrigen Preisen von 50 Rappen (knapp 44 ct) für reine Molkereiund Industriemilch zufriedengeben. Zwar waren die Preise bis zum Spätsommer um durchschnittlich fünf Rappen pro Liter gestiegen, aber immer noch nicht im sprichwörtlich grünen Bereich. „Der Milchpreis hängt nun einmal direkt an den Verkaufserfolgen der Käsesorten“, erklärt Rudolf Bigler. Der Milchviehstall der Familie Bigler ist vollautomatisiert. Roboter melken und füttern Kühe, Rinder und Kälber. Das Milchpreissystem ist in der Schweiz nicht leicht zu verstehen. Rudolf Bigler erklärt uns, dass es in der Schweiz verschiedene Preisstufen gibt, genannt A-, B- und C-Milch. Er zum Beispiel hat mit seinem Milchviehbetrieb eine monatliche Milch- Vertragsmenge von A-Milch. Wenn diese A-Menge überschritten wird, rutscht der Rest automatisch in den B- oder C-Preis. Diese Vertragsmengen werden aber je nach saisonalem Milchanfall unterschiedlich bzw. flexibel ausgelegt. Die Monate März, April und Mai bringen die höchsten Milchanlieferungen, die führen zu Milchüberschuss und der wiederum drücke seine Menge der A-Milch. Bigler muss also damit rechnen, dass von März bis Mai mehr Milch in den B- und C-Preis rutscht. Im Sommer, wenn die Milch knapper wird, kann sich die Menge der A- und B-Milch erhöhen. SELBST GUT VERMARKTEN „Zukunftsfähige Milchlandwirte müssten ihre Kosten so gestalten, dass sie mit einem Milchpreis von rund 50 Rappen zurechtkommen“, meint der Landwirt aus Moosseedorf bewusst provokant. Aber er weiß sehr wohl, dass die meisten Betriebe damit eben nicht zurechtkommen und sich von den Kühen trennen. Das beweist der Strukturwandel auch vor seiner Haustür. „In unserem Ort hatten wir zu meiner Lehrzeit vor rund 30 Jahren noch 17 Milchproduzenten. Heute sind wir noch zu zweit.“ Zur Einordnung ist es wichtig zu wissen, dass im Kanton Bern der durchschnittliche Milchviehbetrieb 20 Kühe melkt und dazu 20 ha Land bewirtschaftet. Und da in der Schweiz die staatlichen Direktzahlungen vorwiegend nach Hektar Fläche gezahlt werden, ergänzt Rudolf Bigler weiter, würden sich die Landwirte schneller von den Kühen als vom Land trennen. Mit einem 20-ha-Betrieb ließen sich mit relativ wenig Arbeit bis zu 30.000 Schweizer Franken (CHF) pro Jahr an Beihilfe erreichen, kommentiert er schmunzelnd. Der Staat zahle mehr Prämie pro Fläche, als der Pachtzins betrage. Dieser liege laut Bigler bei 1.000 CHF/ha (knapp 880 Euro), die Flächenprämie vom Staat erreiche oft die 1.600 CHF/ha. „Das blockt den Strukturwandel und setzt falsche Anreize“, so seine Einschätzung. 42 43