TITELTHEMA BIOGAS „DIE BREMSEN Horst Seide vermarktet etwa die Hälfte seines Biogases über eigene CNG-Tankstellen. Um die Biogas-Potenziale zu heben, werden nach Verbandseinschätzung allein in Deutschland schätzungsweise rund 5.000 zusätzliche Biogasanlagen benötigt. MÜSSEN WEG.“ Der Ukraine-Krieg führt zu Verwerfungen am Energiemarkt. Biogas bietet auch kurzfristig eine gute Chance auf mehr Autarkie und zu mehr Wertschöpfung in der Landwirtschaft, betont Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas. Im Interview erklärt er, wie und in welchem Umfang das gelingen kann. XtraBlatt: Die EU-Kommission hat Anfang März im Rahmen ihres REPowerEU-Plans ein Ziel für die Produktion von 35 Mrd. m³ Biomethan in der EU bis 2030 bekannt gegeben. Halten Sie das für realistisch und machbar? Seide: Ja – wenn die dafür notwendigen Rahmenbedingungen vor allem auf der gesetzgebenden Seite geschaffen werden. Aber das genannte Ziel der Biogas-Produktion wird ganz Europa vor große Herausforderungen stellen, schließlich reden wir hier über eine Verzehnfachung binnen acht Jahren! XtraBlatt: Damit kommt Deutschland doch sicher eine Vorreiterrolle zu – oder? Seide: Das könnte, nein, es müsste sogar der Fall sein. Schließlich haben wir jetzt schon den mit Abstand größten Biogasanlagen- Bestand in Europa. Aber Sie merken an meiner Formulierung: Noch fehlt mir etwas die Zuversicht, dass es wirklich zu so einer Vorreiterrolle kommt. In einer Sitzung des Europarates, in der sich Anfang März auch die einzelnen Staaten auf Ministerien-Ebene zur Biogasthematik äußern sollten, gab es viel Zustimmung. Nur aus einem Land kamen Bedenken … XtraBlatt: Aus Deutschland? Seide: So ist es – als einzigem Land. Dass Deutschland beim Thema Biogas selbst jetzt noch zum Bremser wird, ist schon ärgerlich. Nachdem die Politik dies auch hierzulande schon jahrelang praktizierte, lag unsere Hoffnung auf der neuen Bundesregierung. Doch zumindest Stand Frühjahr war diesbezüglich noch nicht viel Veränderung zum Besseren zu erkennen. Trotzdem ist die EU-Strategie beschlossen worden – was in Zukunft jedoch dazu führen kann, dass die EU dann Deutschland quasi vor sich hertreibt. Wieder einmal. Denn aus den genannten Beschlüssen werden Ziele definiert, die einzuhalten sind. Klüger und für uns alle besser wäre es, die vorhandenen Chancen, Ressourcen und Strukturen aktiv zu nutzen. Die Biogas-Branche kann einen enormen Beitrag zur Energie-Autarkie liefern. DASS DEUTSCHLAND BEIM THEMA BIOGAS SELBST JETZT NOCH ZUM BREMSER WIRD, IST SCHON ÄRGERLICH. HORST SEIDE, PRÄSIDENT FACHVERBAND BIOGAS XtraBlatt: An welche Größenordnungen denken Sie dabei? Seide: In Deutschland produzieren die Biogasanlagen – grob geschätzt – etwa 100 Terrawattstunden (TWh) Rohgas. Davon werden 99 % zur Strom- und in großen Teilen indirekt zur Wärmeproduktion genutzt, während etwa 1 % des Biogases als Kraftstoff dient. Die heutige Stromleistung will die Biogasbranche aufrechterhalten, auch 2030 oder 2035 noch. Wobei die Produktion bis dahin sicher deutlich anders als heute abläuft. Das Stichwort dazu ist die Flexibilisierung und die Vermarktung über Strombörsen. Darüber hinaus sehe ich ein gigantisches Potenzial, um Biogas zur direkten Einspeisung ins Gasnetz zu produzieren. Wenn man alle Substratquellen einbezöge, die in weiten Teilen heute noch ungenutzt sind, ließe sich die Energieleistung aus Biogas nach meiner Einschätzung locker mehr als verdoppeln, auf dann etwa 220 TWh. XtraBlatt: Das dürfte bei vielen Kritikern angesichts der dafür erforderlichen Ausweitung des Maisanbaus die Alarmglocken schrillen lassen … Seide: Wir wollen ja gar nicht mehr Mais. Aber man muss ihn jetzt in der Krise auch nicht zurückfahren. Das Gros der nötigen Substrate bei Ausbau der Gasproduktion kommt jedoch ganz woanders her. Lassen Sie mich dazu einige Beispiele nennen: Nach den Berechnungen des Fachverbandes Biogas böte allein eine vollständige Nutzung der vorhandenen Gülle- und Festmistmengen eine zusätzliche Leistung von etwa 20 TWh jährlich. Substrat von bisher ungenutztem Grünland und mit Stroh ließe weitere 40 TWh möglich werden. Und wenn die Politik es zulassen würde, die Hälfte der seitens der EU vorgeschriebenen Stilllegungs- und Blühflächen mit Pflanzen zu bebauen und diese zu ernten, die den Umweltgesichtspunkten entsprechen und trotzdem gut in der Bio- 6 7
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