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XtraBlatt Ausgabe 01-2020

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PRAXIS 1 2 3 nicht

PRAXIS 1 2 3 nicht entschließen konnten, sondern an den zahlreichen und immer größer werdenden Hürden, die uns bei diesem Vorhaben in den Weg gelegt wurden. Egal, ob Verwaltung, Behörden und Prüfinstitutionen: Wir hatten wirklich das Gefühl, dass ein zukunftsfähiger Milchviehbetrieb hier nicht erwünscht ist. Und dass sich in diesem Land alle Instanzen zu 400 % absichern wollen, aus Angst, irgendeine noch so kleine Entscheidung zu treffen. Als ob wir hier ein Atomkraftwerk bauen wollten!“ Wer Heinrich Schumeier über diese Zeit erzählen hört, merkt ihm die Bitterkeit an, die ihn dabei befällt. „Wenn man diesen Irrsinn mal aufschreiben wollte, würde er ein ganzes Buch füllen.“ Wobei darin sicher ebenfalls die Erfahrungen während der Bauzeit einige Kapitel abdecken könnten, denn reibungslos war auch dabei kein wirklich zutreffender Begriff. In fast allen Gewerken gab es phasenweise massive Probleme, vom Elektriker bis hin zum Lieferanten des Melkkarussells. So stellte sich heraus, dass Letztgenannter eine ganz andere Technik geliefert hatte als von Schumeiers bestellt. Bemerkt wurde dies allerdings erst beim Aufbau, der aufgrund der eingangs geschilderten Probleme erst 2019 erfolgen konnte, also ein Jahr später als eigentlich vorgesehen. „Misslich war nur, dass der Hersteller den Melkstand, wie vereinbart, 2018 geliefert hatte. Solange stand er verpackt bei uns in der alten Scheune“, erzählt der Landwirt. Und auch, als die Anlage lief, war sie nicht richtig nutzbar, denn die Standplätze waren bestenfalls für Jersey- Kühe gut dimensioniert, nicht jedoch für Holstein Frisian. „Die Auseinandersetzung hat nochmal richtig Nerven gekostet. Es ist nur gut, dass man vorher nicht weiß, was so alles mit einem Stallbau verbunden ist. Aber wir haben uns nicht abhalten lassen und freuen uns jetzt über das Ergebnis“, so sein Fazit zum anstrengendsten Kapitel seines Lebens. KARUSSELL-FANS Geradezu reibungslos gestaltete sich im Vergleich dazu im Sommer 2019 der Umzug der Kühe in ihr neues Domizil. Und auch die Umgewöhnung vom alten Fischgrätenmelkstand auf das Melkkarussell lief super, wie Alexander Schumeier bestätigt. Nur die zugekaufte Herde von 50 Tieren eines anderen Betriebes, der die Milchproduktion einstellen wollte, tat sich mit den Kreisfahrten schwer. „Sie waren an Melkroboter gewöhnt, und es braucht viel Überzeugungsarbeit plus Schweiß, um die Herrschaften von den neuen Gegebenheiten zu überzeugen. Aber inzwischen sind sie ebenfalls Karussell-Fans“, ergänzt er schmunzelnd. Dass die Milchleistung gerade in der Übergangsphase teilweise nachließ, war zu erwarten. Nach dem nächsten Kalben jedoch lag die Leistung wieder auf dem gewohnten Niveau, teilweise sogar darüber. Inzwischen ist der Zielbestand von 350 Kühen erreicht, bei einem Durchschnitt von etwa 9.400 l pro Kuh und Jahr. Einiger Neuorganisation bedurfte es auch beim Thema Grundfutter und Außenwirtschaft. Die Familie bewirtschaftet mittlerweile rund 149 ha, davon 67 ha Grünland. Die 82 ha Acker werden mit 68 ha Mais, 8 ha Futterrüben und – in diesem Jahr ganz neu – mit 8 ha „Gemenge“ aus Mais und Bohnen bestellt. Alle drei Herren Schumeier sind schon gespannt, wie dieses Experiment gelingt. Die Aussaat erfolgte erst Mitte Mai, nicht zuletzt wegen der Tatsache, dass die Herbizidbehandlung bei dieser Pflanzenmischung nur im Vorauflauf erfolgen kann. Doch auch sonst gibt es immer wieder kreative Gedanken, was die Futtergrundlage angeht. Damit sind nicht nur die Futterrüben gemeint oder speziell in diesem Frühjahr Kartoffeln, die aufgrund der 1 Freuen sich ebenfalls über den neuen Stall: Gabriele Schumeier (l.) mit Tochter Katharina und den Enkeltöchtern Madeleine und Fiona. 2 Alexander, Heinrich und Sebastian Schumeier (v.l.n.r.) haben seit 2019 eine GbR gegründet. 3 Die Außenwirtschaft ist weitgehend an Landwirte oder Lohnunternehmer vergeben. Nur Bodenbearbeitung sowie das Mähen und Schwaden erledigt Familie Schumeier selbst. Corona-Krise nicht den Weg in die Pommes- Tüten gefunden haben. Kernbestandteil der Futterplanung ist Gras der Wiesen, wegen der Wasserknappheit in guten Jahren aus vier Schnitten, sonst drei. Ergänzt wird es durch Einjähriges Weidelgras, das jedes Jahr als Zwischenfrucht auf rund 40 ha von Ackerbau-Kollegen angebaut wird. Wobei die Sommertrockenheit der vergangenen beiden Jahre dabei schon eine echte Herausforderung war – der sandige Boden mit Bodenwertzahlen zwischen 18 und 40 hält Wasser nicht lange. „Beregnen müssen wir ohnehin mehrmals, aber 2019 war es besonders schlimm“, so Heinrich Schumeier rückblickend. „Deshalb haben wir es mal mit Hafer statt Weidelgras probiert. Und es hat erstaunlich gut geklappt. Die spätere Silage war etwas feucht, aber die Kühe fressen sie gern, und die Milchleistung stimmt auch“, so der Senior. MULTI-KULTI Unterstützung von Externen gibt es nicht nur beim Futterbau. Schumeiers arbeiten mit einem befreundeten Landwirt zusammen, der in ihrem Auftrag einen großen Teil der Ackerarbeiten übernimmt, wie zum Beispiel Düngung und Pflanzenschutz. Der Festmist geht an eine Biogasanlage, ein Teil der Gülle an nahegelegene Ackerbaubetriebe. Einzelkornsaat, Futterbergung per Häcksler und das Einsilieren erledigen Lohnunternehmer. „Neben der Bodenbearbeitung sind Mähen, Schwaden und Weidepflege die einzigen Außenarbeiten, die wir selbst machen“, fügt Alexander Schumeier hinzu. Aber mehr ginge eh nicht, denn obwohl die ganze Familie mit anpackt, erfordert ein Tierbestand von 660 Köpfen alle Aufmerksamkeit im Stall. Und was ist jetzt die nächste Herausforderung? Die Düngeverordnung gehört sicher dazu, vor allem, wenn sich am Zuschnitt der roten Gebiete nichts ändert, die auch Lachendorf betreffen. „Am wichtigsten ist aber, den Tierbestand zu vereinheitlichen“, kommt von den Junioren wie aus der Pistole geschossen. Denn wer aufmerksam durch den Stall geht, entdeckt eine bunte Vielfalt: Schwarz- und Rotbunte, Braun- und Fleckvieh, Angler und Jersey. Diese Multikulti-Mischung ist nicht allein auf den Zukauf während der vergangenen drei Jahre zurückzuführen, denn auch vorher schon hatten Vater und Söhne immer mal wieder Spaß an Exoten im Stall. Doch inzwischen sind sich alle drei einig: Holstein-Frisian soll die Linie vorgeben. „Hobbys“ rund ums Tier bleiben dennoch: Vater Schumeiers zehn Pferde und ein kleines Kontingent von 40 Bullen in der Mast sorgen für Abwechslung von der Kuh. „An sich haben wir einen festen Abnehmer für die Bullenkälber, aber jetzt im Zuge der Corona-Krise waren die Rindfleischpreise auf Talfahrt, sodass Bullenkälber für Geld und gute Worte nicht loszuwerden waren. Dann können wir sie auch selbst mästen“, meint Heinrich Schumeier – und macht sich auf dem Weg zum Stall. Schließlich ist Melkzeit. Obwohl mit dem Karussell rund 150 Tiere pro Stunde fahren, dauert es eben immer noch seine Zeit. Aber die macht wieder Spaß. « 30 31