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XtraBlatt Ausgabe 01-2019

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XtraBlatt 1 2019

PRAXIS 1 2 3 1 Karl

PRAXIS 1 2 3 1 Karl Wunderlich hütet den Rest der Herde unterhalb Kloster Banz. 2 Die Herde umfasst 1.300 Mutterschafe. Die hochtragenden und frisch abgelammten Tiere sind im Stall. 3 Anton Wunderlich züchtet Merino Landschafe, eine Rasse, die sich besonders für die Wanderschäferei eignet. 4 Dieser Tränkewagen ist eine Sonderanfertigung. Er stellt die Wasserver- sorgung der Tiere auf der Sommerweide sicher. dann fünf Monate vorher – so lange trägt ein Schaf – die Böcke aus der Herde genommen. Das Bild im Schafstall ist herrlich: wunderbare, großrahmige Mutterschafe, die – obwohl mitten in der Laktation – in einem hervorragenden Futter- und Pflegezustand sind. Das kommt nicht von ungefähr. Anton Wunderlich erklärt: „Besonders wichtig ist es, hochwertige Vatertiere zu verwenden. Diese kaufe ich meist auf Auktionen von den besten Züchtern Süddeutschlands. Ein Bock kann da schon bis zu 8.000 Euro kosten.“ Direkt nach dem Ablammen kommen Mutterschaf und Lämmer (bei Merino Landschafen beträgt die Zwillingshäufigkeit rund 70 %) in kleine Einzelboxen. Dort wächst die Mutter-Kind-Bindung, und die Tiere können in der Anfangszeit besser überwacht werden. Bevor der Schäfer sie dann in größere Gruppen umstellt, werden Mutter und Lämmer mit großen Zahlenstempeln nummeriert. Dies ist eine der Aufgaben von Anton Wunderlichs Ehefrau Angela. Die Fütterung erfolgt im Stall über einen zentralen Gang. Von dort aus gehen Futterbänder mit Fressgittern in die einzelnen Abteile. Beschickt werden diese mit einem Futtermischwagen. Die Ration besteht aus Heu, Grassilage und Biertreber. Zum Teil werden auch Rübenschnitzel verfüttert. Die Lämmer bekommen zusätzlich noch Getreideschrot. Das Heu wird auf einer Fläche von rund 100 ha ausschließlich selbst erzeugt. Zur Nachnutzung können die Wiesen dann noch abgeweidet werden. „Wir bewirtschaften sehr viele Naturschutzflächen“, erklärt Anton Wunderlich. Mit dem dortigen Aufwuchs wäre es sehr schwierig, marktfähige Schlachtkörper bei den Mastlämmern zu bekommen. Deshalb benötigt der Schäfer auch immer zusätzlich Weiden hoher Qualität. SELBST­ VERMARKTUNG Apropos Naturschutz: Früher stammten die Einnahmen einer Schäferei aus dem Woll- und Fleischverkauf. Gerade die Merino Landschafe wurden deshalb in Süddeutschland gezüchtet, weil Wolle von hoher Qualität und damit ein sehr gefragtes Gut war. Heute decken diese Einnahmen gerade einmal die Kosten für das Scheren. Etwas besser sieht es dagegen mit dem Fleisch aus. Vor allem, wenn es direkt vermarktet werden kann. Die Familie Wunderlich hat sich da über die Jahre eine gute Kundschaft aufgebaut, bestehend aus privaten Haushalten, aber vor allem aus Metzgereien und Gastronomiebetrieben. Im eigenen, EU-zertifizierten Schlachthaus werden pro Woche etwa 15 bis 20 Tiere geschlachtet. Der Rest wird über einen Viehhändler vermarktet. Ein Großteil der Einnahmen einer Schäferei kommt heute jedoch aus Brüssel. Und zwar in Form von Direktzahlungen, aber auch sehr viel in Form von Naturschutzprämien. In Bayern ist das zum Beispiel das Programm für Vertragsnaturschutz (VNP). Die Auflagen sind dabei sehr hoch, die Kontrollen ebenfalls. „Die Summe an Ausgleichszahlungen erscheint bei allen Schäferei-Betrieben auf den ersten Blick gewaltig“, sagt Anton Wunderlich. „Der Betrag muss aber in Relation mit den geringeren Einnahmen aus der Produktion gesetzt werden. Und gerade, wenn Fremdarbeitskräfte eingesetzt werden, ohne die es bei unserer Größenordnung überhaupt nicht ginge, bleibt bei uns sicherlich erheblich weniger übrig als bei anderen landwirtschaftlichen Produktionsrichtungen.“ Unsere Runde über den Hof geht weiter. Vom Schafstall geht es kurz zu den Ziegen. Sie werden hauptsächlich deshalb gehalten, weil sie verholzte Pflanzen besser verbeißen als Schafe. Also zur Landschaftspflege. Und auch ein Esel gehört aus traditionellen Gründen mit zur Schäferei. TIERWOHL IM BLICK In der Maschinenhalle möchte uns Anton Wunderlich etwas zeigen, auf das er ganz besonders stolz ist. „Dieses 16-m³-Tränkefass ist ein Einzelstück, das ich zusammen mit der Firma Marchner entwickelt habe. Tränkewasser kann per Vakuum angesaugt werden, die Tränkebecken für die Schafe befinden sich an einem hydraulisch ausklappbaren Gestänge. So kann immer eine große Anzahl Tiere saufen. Es ist ein echter Beitrag zum Tierwohl. Im Sommer ist Wasser vor allem auf den Trockenrasen-Naturschutzflächen oft Mangelware. Der Vorrat im Fass reicht dann etwa zwei Tage.“ Finanziert wurde es durch das „Grüne Band“, ein Naturschutzprojekt entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Eine weitere Eigenentwicklung ist ein Klauenbad. „Zwar habe ich in meinem Schafbestand keine Moderhinke, eine sehr unangenehme Infektion, bei der die Klauen faulen, ich komme aber auf der Wanderschaft öfter durch Gebiete, in denen auch andere Schäfer unterwegs sind. Danach treibe ich meine Tiere immer mehrmals durch ein Klauenbad mit antibakterieller Flüssigkeit. Die konventionelle Lösung ist eine schmale Wanne, durch die immer nur ein Tier auf einmal laufen kann. Meine Wanne ist viel breiter und hat fest angebaute Begrenzungsgitter. So geht das Durchtreiben erheblich schneller. Vor allem aber kann ich es komplett mit dem Traktor verladen, was für mich viel rückenschonender ist, als das Hantieren mit schweren Wannen“, erklärt der Schäfer. Anton Wunderlich ist kein Mensch, der zum Jammern neigt. Das sieht man schon daran, wie er einen Betrieb dieser Größenordnung aufgebaut hat. Aber neben der immer weiter zunehmenden Bürokratie gibt es schon Dinge, die ihm hin und wieder den Spaß an seinem Beruf verderben: „Durch meine Weideflächen wurde eine ICE-Trasse gebaut. Dagegen habe ich grundsätzlich gar nichts. Aber anders als zum Beispiel bei einer Autobahn, ist die Zugstrecke überhaupt nicht eingezäunt. Sollten einmal die Schafe nachts aus dem Pferch ausbrechen – was vorkommen kann, wenn wildernde Hunde unterwegs sind – bestünde ein Risiko, dass die Herde vor den Zug kommt. Für die neu gepflanzten Bäume war das Geld da. Wenn es dagegen um die Sicherheit an der Stecke geht, nicht. Ich habe viele Diskussionen dazu geführt – leider ohne Erfolg.“ Ein zweites Reizthema für Anton Wunderlich ist der Wolf. „Sollte der sich hier wirklich breitmachen, dann denke ich ernsthaft daran, mit der Schafhaltung aufzuhören“, macht er deutlich. „Der wirtschaftliche Schaden durch Wolfsrisse kann ja ersetzt werden. Aber als Schäfer ist es mein ganzes Bestreben, dass es meinen Tieren gut geht. Bestünde ständig die Gefahr durch Wolfsangriffe, mache ich das nicht mehr mit.“ Nach dem Rundgang fahren wir abschließend in Richtung Kloster Banz, wo Anton Wunderlichs Bruder Karl mit den Schafen auf der Weide ist. Er hütet dort etwa 700 Mutterschafe. Dabei hat er zwei Süddeutsche Schwarze – das sind Altdeutsche Hütehunde, die vor allem in Bayern verbreitet sind. Die Weideflächen der Schäferei erstrecken sich in den Landkreisen Lichtenfels, Coburg und Hildburghausen. Die Vegetation ist Anfang April schon recht weit fortgeschritten. Auch diese Herde ist in einem hervorragenden Zustand. Als Karl Wunderlich mit den Schafen in den Pferch zieht, sehen wir, dass Moderhinke wirklich kein Thema ist: Sämtliche Tiere sind gut zu Fuß. Denn auch in einer modernen Schäferei gilt: Das Auge des Herrn mästet das Vieh. « 4 38 39