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XtraBlatt Ausgabe 01-2019

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XtraBlatt 1 2019

INTERVIEW Dies gilt

INTERVIEW Dies gilt jedoch nicht nur mit Blick auf die Gülletechnik, sondern generell bei Investitionen in neue Landtechnik. Der immer deutlichere Trend in Richtung Elektronik und Digitalisierung lässt die Technikkosten massiv steigen, sodass sehr viele Landwirte diese Technik auch nicht im Ansatz wirtschaftlich auslasten können. Und damit komme ich zum ersten Teil Ihrer eingangs gestellten Frage: Ich bin deshalb überzeugt, dass die Maschinenringe durch die Digitalisierung der Landwirtschaft Aufwind bekommen. Denn die Kernfrage ist: Wem gehören die Daten – den Landwirten, den Dienstleistern, dem Handel oder der Industrie? Welche Motivation und welches Geschäftsmodell stecken dahinter, wenn eine entsprechende Dienstleistung angeboten wird? XtraBlatt: Es geht letztlich um die Daten der Landwirte und eine nie gekannte Transparenz ... Ost: So ist es. Gerade diesen Aspekt sollten die Landwirte sehr bewusst abwägen, bevor sie sich für digitale Angebote entscheiden. Denn es zeigt sich jetzt schon, dass die Digitalisierung zum Beispiel in vielerlei Hinsicht lang bewährte Lieferanten-Kundenbeziehungen auflöst. Klar, sie bietet durchaus spannende neue Optionen. Aber vielfach versuchen die Anbieter, dies zu einer intensiven Kundenbindung zu nutzen. Das ist natürlich legitim – aber jeder Nutzer sollte sich dessen bewusst sein. Diesbezüglich sehe ich die Maschinenringe in einer neutralen Position, sodass sie aus meiner Sicht im Dienst der Landwirte zentrale Unterstützer und Berater sein können – sozusagen Datenberater, deren Dienste man ebenso selbstverständlich in Anspruch nimmt wie einen Steuerberater in Steuerfragen. Derzeit sehr aktuelle Beispiele für Dokumentations-Dienstleistungen sind die organische Düngung und die Erfassung von Nährstoffströmen, doch auch die Anträge zur Flächenbeihilfe. Diesbezüglich wird die öffentliche Hand immer stärkere Transparenz fordern, und es ist erkennbar, dass immer mehr Betriebe den Aufwand dafür selbst nicht leisten können oder wollen. Darauf haben zum Beispiel wir uns vom Maschinenring Günzburg-Neu-Ulm eingestellt und dazu eigens Mitarbeiter eingestellt. „DIE MASCHINENRINGE SIND WICHTIGER ALS JE ZUVOR!“ LEONHARD OST, PRÄSIDENT BMR Landwirte sollten genau abwägen, wem sie im Zuge der Digitalisierung ihre Betriebsdaten zur Verfügung stellen, meint Leonhard Ost. XtraBlatt: Kritiker führen an der Stelle an, dass die Maschinenringe mit ihren immer umfangreicheren Angeboten, wie etwa in der Dokumentation, kleine und mittlere Höfe quasi am Leben erhalten und so das Wachstum der Vollerwerbsbetriebe bremsen ... Ost: Das kann man so sehen – muss man aber nicht. Ich bin überzeugt, dass jede Bewirtschaftungsform und Betriebsgröße ihre Berechtigung hat. Und dies umso mehr, wenn sie dazu beiträgt, Eigentum in der Landwirtschaft zu halten. Denn ich sehe mit Sorge, dass vermehrt auch Land in die Hände landwirtschaftsferner Investoren wechselt, und das wird tendenziell zunehmen. Deshalb bewerte ich es positiv, wenn sich neben Verkauf und Verpachtung von Flächen unterschiedliche Formen der Bewirtschaftung etablieren – zum Beispiel in Form von Bewirtschaftungsverträgen. Insgesamt sehe ich es als ein wichtiges Ziel an, unseren Mitgliedern ganz unterschiedliche Bewirtschaftungsmodelle zu ermöglichen, ausdrücklich auch mit Lohnunternehmern – wo es für die Beteiligten passt. Ich bin überzeugt, dass es insgesamt in Zukunft mehr Bewegung und Vielfalt in der Zusammenarbeit geben wird als bisher. Entscheidend ist, gemeinsam nach Lösungen zu suchen, um den ländlichen Raum zu stärken. Denn Landwirtschaft in unseren Dörfern hat nicht nur eine wirtschaftliche Dimension. XtraBlatt: Sondern auch ...? Ost: … eine eindeutig soziale Komponente. Abwanderung besonders der jungen Menschen in die Ballungszentren ist heute bereits ein massives Problem. Das betrifft auch uns als Maschinenringe unmittelbar, genau wie Lohnunternehmer, Handwerker und andere klassische Familienbetriebe des ländlichen Raumes. Nehmen wir das Beispiel der Betriebshilfe in Notfällen, eine unserer Kernaufgaben. Bisher stammten unsere Helfer überwiegend aus den Reihen der jungen Frauen und Männer, die irgendwann zu Hause den Betrieb übernehmen wollen, aber noch Zeitkapazitäten haben, bevor der Senior tatsächlich das Ruder aus der Hand gibt. Gerade in den wachsenden Vollerwerbsbetrieben werden die Jüngeren aufgrund des Arbeitsvolumens aber gleich nach Ausbildung und/oder Studium zu Hause benötigt, stehen somit den Ringen nicht zur Verfügung. Auf der anderen Seite suchen zunehmend Bauern und Bäuerinnen, deren Betriebe für den Vollerwerb zu klein werden, nach Einkommensalternativen im landwirtschaftlichen Umfeld. Und deren Kinder orientieren sich beruflich in ganz andere Branchen und wandern in die Ballungszentren ab. Wollen wir also generell als Ringe in Zukunft unsere Aufgaben erfüllen und diese mit Fachkräften besetzen, müssen wir zunehmend auf fest angestellte Mitarbeiter setzen. Nur mit ausreichender und angemessener Beschäftigung halten wir die Menschen hier auf dem Land. Damit wächst uns als Maschinenringen eine hohe soziale Verantwortung zu, wie ich finde. XtraBlatt: Durch die laufende Erweiterung des Angebotsspektrums werden die Maschinenringe aber auch als Wettbewerber empfunden, um Aufträge wie um Fachkräfte, etwa im Garten- und Landschaftsbau, im Winterdienst „LANDWIRTSCHAFT IN UNSEREN DÖRFERN HAT NICHT NUR EINE WIRTSCHAFTLICHE DIMENSION.“ LEONHARD OST, PRÄSIDENT BMR oder bei kommunalen Dienstleistungen. Noch dazu mit vergleichsweise preisaggressiven Angeboten ... Ost: Das ist mir zu pauschal und trifft außerdem nicht zu! Indem wir auf Festangestellte setzen, unterliegen wir den gleichen Kosten wie andere Anbieter. Zumal wir einen hohen Qualitätsanspruch an die von uns geleistete Arbeit haben, das geht nicht zu Niedrigpreisen. Nebenbei bemerkt, ist meine Erfahrung: Wenn die Qualität stimmt, sind zum Beispiel die Landwirte als Auftraggeber bereit, das zu bezahlen. Auf der anderen Seite müssen die Ringe für eine gute Auslastung ihrer Teams sorgen und sich entsprechend um Aufträge kümmern. Das ist immer eine Gratwanderung. Aber dem Wettbewerb um gute Mitarbeiter im ländlichen Raum unterliegen Maschinenringe, Lohnunternehmer, die öffentliche Hand, das Handwerk und andere gewerbliche Anbieter gleichermaßen. Das hat mit dem Gehalt zu tun, aber genauso mit den Arbeitsbedingungen. Diesbezüglich investieren wir viel, um attraktive Arbeitgeber zu sein. XtraBlatt: Herr Ost, wir danken Ihnen für das Gespräch!« Der Präsident sieht die Maschinenringe künftig in der Rolle neutraler Datenberater, deren Dienste man ebenso selbstverständlich in Anspruch nimmt wie einen Steuerberater in Steuerfragen. 34 35