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XtraBlatt 01-2013

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MENSCHEN INTERNATIONAL

MENSCHEN INTERNATIONAL Bäckerei Ruetz DIE REGION STÄ Regionale Produkte, beste Qualität und innovatives Marketing zeichnen die Tiroler Bäckerei Ruetz aus. Aber warum wird ein Bäcker zum Landwirt und kauft sich für sieben Hektar Pachtland eigene Grünfuttererntetechnik? Wir haben die Story für Sie recherchiert. 32

RKEN E s ist Montagmorgen kurz vor halb neun. Draußen herrscht nieseliges Frühherbstwetter. Warmes Licht durchflutet den Verkaufsraum der Bäckerei Ruetz in Kematen, einige Kilometer westlich von Innsbruck in Tirol gelegen. In den Auslagen zieht eine schier unüberschaubare Vielfalt an Brot, Kleingebäck und süßen Backwaren magisch den Blick an. Verlockender Duft nach ofenfrischen Leckereien und frisch gemahlenem Kaffee steigt in meine Nase und lässt mir buchstäblich das Wasser im Mund zusammenlaufen... Wie wär‘s also zum Beispiel mit einem „Verlängerten“ (für Nicht- Österreicher: eine nationaltypische Kaffeespezialität) und einem Snack aus Dinkel-Vollkornbrot und leckerem Käse? Oder doch lieber ein Körndl-Spitz mit Bio-Butter? Vielleicht sogar etwas Süßes, wie Nougat-Vanille-Kipferl oder Topfen-Erdbeerstrudel? Zu dumm, dass ich vorhin gerade erst im Hotel gefrühstückt habe. Während ich dem Verlängerten zuspreche, gönnt sich Christian Ruetz ein kleines Frühstück – das erste heute. Früh morgens war einfach noch keine Zeit dazu, erzählt der Bäckermeister und Juniorchef der Firmengruppe. Denn zum Unternehmen gehören nicht nur der Standort Kematen, sondern mittlerweile 46 weitere Filialen in ganz Tirol. Da ist nachts und morgens nicht nur vom Team in den Backstuben und den Läden voller Einsatz gefragt, sondern auch die beiden Chefs – Christian jun. und Christian sen. – sind schon vor dem sprichwörtlichen ersten Hahnenschrei „mittendrin“. Den Verlockungen im Verkaufsraum können an diesem Montagmorgen offenbar sehr viele Kunden nicht widerstehen. Denn neben einer regen Laufkundschaft haben sich bereits rund 40 Gäste eingefunden, die ebenfalls Kaffee und/oder ihr Frühstück im großzügigen Gastraum der Bäckerei genießen. Gleich nebenan befindet sich der Spielraum für die Kleinen. Und beim Kaffee schweift der Blick entweder durch ein großes Fenster hinein in die Bäckerei, wo man den Bäckern bei der Arbeit zusehen kann, oder man schaut auf der anderen Seite durch bodentiefe Fenster nach draußen und genießt das Alpenpanorama mit Wiesen und Feldern. ROGGEN AUS TIROL Sieben Hektar der Ackerfläche direkt auf der anderen Straßenseite werden übrigens seit drei Jahren von Christian Ruetz selbst bewirtschaftet. Das Gros dessen ist zurzeit mit Gras bzw. Kleegrasgemisch bestellt, ein Teil mit Roggen. Bei diesem Stichwort schaue ich meinen Gesprächspartner fragend an. Roggen in Tirol, in einer klassischen Grünlandlage? „Na ja, eine Getreidehochburg ist Tirol wirklich nicht gerade. Aber an einigen Standorten ist der Anbau durchaus möglich, auch wenn wir hier keine Spitzenwerte an Ertrag erreichen“, erläutert der junge Bäckermeister. Einer von vielen Gründen, vor der eigenen Haustür Roggen anzubauen, ist die Idee, den Kunden die Produktion des Brotes in der gesamten Kette vom Acker bis in die Ladentheke transparent zu machen. Deshalb das Fenster zur Bäckerei, und deshalb auch der eigene Getreideanbau, mit erklärenden Schildern am Feldrand, sozusagen einem kleinen Getreide-Lehrpfad. Meine Frage, ob der ganze Aufwand mit eigener Landwirtschaft dann doch nur unter Marketing zu verbuchen ist, verneint Christian Ruetz allerdings entschieden. Seiner Erfahrung nach bringen die Kunden regionalen und/oder Bio-Produkten große Offenheit und Vertrauen entgegen. Allerdings sei das Wissen darüber, warum die Produkte hochwertiger sind, oft kaum vorhanden. „Unser gesamtes Produktions- und Vermarktungskonzept ist ganz strikt auf Regionalität und beste Qualität ausgerichtet. Sich damit von anderen Anbietern abzugrenzen, bedarf eben auch ausführlicher Erläuterung, sei es tagtäglich durch unsere Mitarbeiter/innen, durch innovatives Marketing – oder eben am Feldrand“, schildert er den Hintergrund und ergänzt noch: „Unser Konzept lebt von Glaubwürdigkeit und konsequenter Umsetzung. Deshalb hat mein Vater schon vor 15 Jahren mit einigen Landwirten den Bio-Roggenanbau hier in Tirol wieder etabliert. In den Anfangsjahren haben wir alle viel Lehrgeld gezahlt, aber mittlerweile stimmen die Sorten, der Anbau und auch die Verarbeitung.“ 33