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XtraBlatt Ausgabe 02-2019

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INTERVIEW

INTERVIEW XtraBlatt: Woran denken Sie dabei? Paetow: Es ist ja kein Hexenwerk, Nitrat im Wasser zu messen. Warum tun wir das nicht an repräsentativen Punkten auf verschiedenen Schlägen in unseren Betrieben, in verschiedenen Tiefen und vollautomatisiert? Dadurch haben wir jederzeit eine verbindliche Aussage, was in Sachen Nitratauswaschung gerade los ist – und können auch kurzfristig gegensteuern, etwa durch Fruchtfolgeanpassung und/oder Zwischenfruchtanbau. Denn selbst bei uns in Mecklenburg mit seiner relativ flachen Trinkwasserförderung liegt das, was unten im Grundwasserkörper an Nährstoffen ankommt, in der Ursache 20 oder 30 Jahre zurück. Je präziser wir also wissen, was schon im Oberboden los ist, desto besser lässt sich ein „Zuviel“ an Auswaschung verhindern. Rein technisch halte ich das für machbar, wie mir eine Reise seitens der DLG nach Israel gezeigt hat, wo wir in Sachen Bewässerung und Nährstoffmanagement Forschungsinstitutionen besucht und ihre Lösungsansätze kennengelernt haben. Damit könnte man die Düngeauflagen in den sogenannten roten Gebieten anders handhaben als derzeit von der Politik vorgesehen, denn seitens der DLG sind wir keine Freunde davon, eine Flächenbindung der Tierhaltung anzustreben, weil es fachlich das Problem im Kern nicht trifft. Das gilt in der Schweine- wie in der Rinderhaltung. Aber ich finde es auch wichtig, dass der Berufsstand bei unvernünftigen Praktiken selbst gegenhält. Dass zum Beispiel im Jahr 2019 immer noch 50 % des flüssigen Wirtschaftsdüngers breitwürfig ausgebracht werden, ist problematisch! Wenn man durch sein Handeln sichtbar macht, dass man bereit ist, Dinge nicht nur zu tun, weil man es muss, sondern weil man sich verantwortlich fühlt, finden Verbraucher das gut. Ein anderes Beispiel dafür sind die Blühstreifen an den Feldrändern, die sehr zum positiven Bild beitragen. Wichtig ist: Seht her, wir haben zugehört, wir machen da jetzt was. Und wir werden als Branche insgesamt einen sehr großen Aufwand betreiben müssen, um das Bild in der Gesellschaft über Landwirtschaft zu drehen. „WIR BRAUCHEN DEUTLICH INTELLIGENTERE LÖSUNGEN ALS ETWA EINE PAUSCHALE DECKELUNG DER NÄHRSTOFF- OBERGRENZEN.“ HUBERTUS PAETOW ist es nicht ausgeschlossen, dass zum Beispiel die Schweinehaltung aus Deutschland verschwindet, wenn die Politik nicht die richtigen Weichen stellt. Denn am Ende müssen verteuernde Auflagen von irgendwem bezahlt werden. Der Weltmarkt diktiert uns nach wie vor den Weg der billigsten Produktion über die Preisgestaltung. Das reduziert die Standards der Tierproduktion auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Wenn das in Deutschland anders gewünscht ist, muss es immer eine Differenz im Preis geben, und da ist die Frage an die Konsumenten: Wollt Ihr das oder nicht? Meines Erachtens geht das nur, wenn man wieder ein System der Produktionssubvention einführt. Die Differenz der Kosten von Auflagen, die von den Verbrauchern gewünscht ist, müssen wir den Landwirten bezahlen. XtraBlatt: Die andere Variante wäre, Standards zu definieren, die bei Importen eingehalten werden müssen … Paetow: So etwas ginge nur, wenn man Grenzen schließt, und das wird nicht passieren. Aber man muss auch fragen: Wie egal ist es den Menschen, dass es – um bei dem Beispiel zu bleiben – in Deutschland eine Schweinehaltung gibt? Darüber muss mal scharf nachgedacht werden. Es ist deshalb gesellschaftlich zu diskutieren, ob man gegenüber Tieren eine Verantwortung dafür empfindet, wie sie gehalten werden, oder ob man nur will, dass es in Deutschland eine bestimmte Form der Tierhaltung nicht mehr gibt. Diese beiden Betrachtungsweisen haben unterschiedliche Auswirkungen. Will man Ersteres, dann XtraBlatt: Viele Landwirte fürchten, dass sie diesen Aufwand nicht werden tragen können und stellen deshalb die Tierhaltung ein … Paetow: Leider ist dieser Prozess zu beobachten. Und in der Tat 34

geht das nur, wenn man dem Landwirt diese aufwendigere Form der Produktion auch bezahlt. Noch dazu, wenn mit der Haltungsform auch bestimmte Betriebsstrukturen identifiziert werden – Stichwort Familienbetrieb. Wenn man aber die Verantwortung auf lokale Nachhaltigkeit legt, wie beim Nitratthema, ohne einen Ausgleich zu schaffen, dann kaufen wir die Schweine in Brasilien, und man macht die Augen davor zu, was dort passiert. Das sind die beiden Varianten, die ganz klar auf den Tisch müssen – und die leider kaum jemand in der öffentlichen Diskussion so deutlich thematisiert. Die Kunst der Politik wäre es, die Meinungsbildung in der Gesellschaft in die eine oder andere Richtung zu moderieren. „AM ENDE MÜSSEN VER- TEUERNDE AUFLAGEN VON IRGENDWEM BEZAHLT WERDEN.“ HUBERTUS PAETOW einmal zu Ende zu denken, wohin die Reise gehen soll, dann auszurechnen, was dafür an Maßnahmen erforderlich ist und was diese kosten, und dann das Ergebnis in brauchbare Bilder zu packen, um sie den Menschen vor Augen zu führen. Im Moment sind die Tagesmedien, genauso wie die sogenannten Nicht-Regierungs-Organisationen, kurz NGO, und in Folge dessen viele Verbraucher ja immer nur gegen alles Mögliche. Aber das ist keine Vision, auf deren Basis man etwas entwickeln kann. Eine tragfähige Vision brauchen wir aber. XtraBlatt: Wer sollte die Vision denn haben? Paetow: Die verschiedenen Optionen müssen wir als Landwirtschaft entwickeln, um dann die Meinungsbildner bzw. politisch Verantwortlichen damit zu konfrontieren und mit ihnen zu einer Entscheidung zu kommen. Wenn am Ende feststeht, was denen, die von außen auf Landwirtschaft schauen, als Bild oder Vision reichen würde, könnte man daraus passende Produktionssysteme entwickeln – und sagen, was zu tun ist, um dieses Ziel zu erreichen. Und dann wird man darüber reden müssen, wie viel teurer das Fleisch werden muss. XtraBlatt: Für wie realistisch halten Sie das? Paetow: Grundsätzlich bin ich auch in dieser Hinsicht Optimist. Aber vor dem Hintergrund der jüngsten Beschlüsse sehe ich mit etwas Sorge, dass agrarpolitische Entscheidungen leider im Stile eines Basars getroffen werden, nach dem Motto „tausche Glyphosat gegen Tierwohllabel“ – das spricht leider nicht dafür, dass man mit fachlicher Praxis und sachlichen Argumenten die Diskussion führt. Somit bin ich gespannt, ob die Moderation der Politik gelingt. Die Bilder und Konzepte dazu zu entwerfen, wie mögliche Lösungen aussehen können, muss dagegen die Landwirtschaft leisten. Hier ist der Bauernverband gefragt, aber zum Beispiel durchaus auch wir als DLG. Wichtig wäre es, erst Wenn die Antwort dazu lautet: 30 % teurer, was ich für realistisch halte und was in Summe von der Gesellschaft auch tragbar wäre, dann ist zu fragen, woher die kommen sollen. Eines steht aber jetzt schon fest: Das gelingt nicht an der Ladenkasse, sondern geht nur über den Fiskus. Dazu gibt es Untersuchungen, die das bestätigen. Und es gibt Lösungen, wie es aussehen kann, etwa über den Wegfall des Mehrwertsteuer-Privilegs oder eine Fleischabgabe. Über den Produktpreis wird die Mehrheit der Verbraucher die notwendigen Erlöse nicht bezahlen, deshalb sind auch die bisher diskutierten Tierwohl-Zuschläge nicht wirklich zielführend, zumal sie auf Freiwilligkeit der Konsumenten beruhen. Wichtig ist mir aber auch, eine andere Haltung in unsere Branche zu bringen. Denn die gegenwärtig sehr pessimistische Stimmung der Landwirte führt zu einer mangelhaften Aufgeschlossenheit gegenüber Veränderungen, und das ist sehr schwierig. Auch die Landwirtschaft wird sich bewegen müssen, ein „weiter so“ kann es nicht geben. Man darf nicht erst aktiv werden, wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, sondern schon, wenn es auf Höhe des Bauchnabels ist. An dem Punkt sind wir als Agrarbranche im Moment – und wir haben jetzt die Chance, aktiv zu werden. Das sollten wir alle gemeinsam nutzen! « 35