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XtraBlatt 02-2016

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MENSCHEN RUBRIK PRAXIS

MENSCHEN RUBRIK PRAXIS Zweinutzungsrinder DOPPELT GUT Im nordfriesischen Neukirchen liegt der Hof der Familie Matthiesen. Besonderheit des Betriebs sind die Fleckviehkühe. Sie liefern nicht nur beste Milch, sondern haben eine gute Fleischleistung. 32

Karl-Heinz Matthiesen mit seinen Fleckviehkühen und Terrier Klitschko. Er ist von den guten Eigenschaften der Milchviehrasse überzeugt. „Früher war das hier eine Hallig – umgeben von Reet. Heute, nach einigen Jahrhunderten der Landgewinnung, befinden wir uns in der sogenannten Altmarsch“, beschreibt Karl-Heinz Matthiesen, Senior-Betriebsleiter in Rente, den Familiensitz. Vor 400 Jahren haben seine Vorfahren das Anwesen gekauft und durch die Ernte und den Verkauf von Reet, also Schilfrohr, ihren Unterhalt verdient. Damals lag die Küstenlinie unweit entfernt, und das Reet wurde mit Booten zum Hafen geschippert, der nur 500 m vom Hof Matthiesen entfernt war. „Früher war die Hofstelle lediglich Sommerhaus und eine andere Hofstelle lag auf der Geest. Im Winter war die Hallig zu jener Zeit von Wasser beziehungsweise Eis umgeben. Die heutigen Weiden waren also ursprünglich junge Marsch und Reetland“, erzählt der Landwirt weiter. Vor drei Jahren hat Matthiesen Senior den Betrieb auf seinen Sohn Boy überschrieben, der hauptberuflich bei einem größeren Milchviehbetrieb in der Nähe von Rendsburg angestellter Teilhaber ist und als Herdenmanager arbeitet: „Aktuell bewirtschaften wir knapp 80 ha Acker- und Weideland. Die Betriebe waren früher in der Region sehr klein, da in Schleswig-Holstein die Flächen der Höfe klassisch über Jahrhunderte unter den Nachkommen geteilt wurden, was auch zu einer großen Auswanderungswelle nach Nordamerika führte.“ REINRASSIG FLECKVIEH Warum melkt man im äußersten Norden gerade Fleckvieh? Diese Frage stellt sich, da man doch diese Rasse eher mit dem Süden Deutschlands oder gar den Alpen verbindet. Karl-Heinz Matthiesen hat mehrere Antworten: „Wir halten schon seit über 20 Jahren Fleckvieh. Bis in die 90er Jahre haben wir mit Schwarzbunten und Rotbunten gearbeitet. Der Ansatz dieser hochleistenden Rassen mit wenigen Laktationen und einer insgesamt ungenügenden Konstitution hat für mich aber nicht mehr zu unserem Hof gepasst.“ Auf der Suche nach einer robusten Rasse, die nicht nur auf die Milchleistung getrimmt ist, stieß der Landwirt dann auf das Fleckvieh als Zweinutzungsrind. „Wir hatten zunächst von Schwarzbunt, also Holstein Friesian, auf Rotbunt umgestellt. Nachdem die Züchtung dort aber in dieselbe Richtung lief, entschieden wir uns, zunächst Fleckvieh einzukreuzen. Der nächste Schritt war dann die komplette Umstellung auf reinrassige Fleckviehkühe. Diese Kühe sind von ihrer Konstitution her sehr robust, gesund, leicht kalbend und ruhig. Außerdem können wir nicht nur die Milch vermarkten, die im Übrigen einen viel höheren Eiweißanteil hat, sondern auch das Fleisch bzw. die Kälber“, erklärt er die Entwicklung und weiter: „Diese Kälber bringen fast den zehnfachen Preis dessen, was vorher für die Kälber der Schwarzbunten zu erlangen war.“ Die Vermarktung laufe über einen Viehhändler beziehungsweise über das Zuchtunternehmen Bayern Genetik: „Unsere Tochter lebt in Bayern und unser Schwiegersohn arbeitet bei Bayern Genetik. Somit haben wir immer einen guten Kontakt zu den Züchtern und verkaufen auch viele Zuchttiere. Selbst hier im Norden sieht man in den letzten Jahren immer mehr Fleckviehkühe“, sagt er schmunzelnd. Gerade in der augenblicklichen Lage niedriger Produkt- und hoher Pachtpreise sei es auch rückblickend eine gute Entscheidung gewesen, auf Zweinutzungsrinder umzusteigen: „Für uns ist es im Vergleich zu anderen Betrieben einfacher, für eine gewisse Zeit mit den niedrigen Milchpreisen umzugehen, da wir durch unsere Zweinutzungskühe nicht nur auf die Milch angewiesen sind. Wer jedoch für einige Millionen neu gebaut hat, dem fällt es schwer, die Kredittilgung zu leisten und gleichzeitig im Betrieb liquide zu bleiben.“ 33